Der Verkehrsentwicklungsplan geht in die letzte Runde
Nach mehrjährigen Planungen steht der VEP nun zur abschließenden Beratung an. Zwei Gutachten zur Umweltverträglichkeit liegen vor und zeigen die Umweltschäden auf, die durch den Bau eines Siegbergtunnels zu erwarten sind. Nun müssen die Ausschüsse und der Rat der Stadt Siegen abwägen und entscheiden, ob die Planungen in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen. Wir möchten Sie in aller Kürze über die wichtigsten Punkte der Planung und der beiden Umweltverträglichkeits-Studien informieren.
Besonders betroffen sind die Anwohner Unterm Hain, die neben einem der Tunnelausgänge wohnen werden, wenn der Plan Wirklichkeit werden sollte. Und diese, da sind sich Planer und Gutachter einig, haben die Hauptlast der negativen Auswirkungen zu tragen: Umweltzerstörung und mehr Verkehr drohen den Anliegern im Umkreis des sog. Ost-Portals.
Was plant der VEP ?
Im Mittelpunkt der geplanten Maßnahmen stehen der Siegbergtunnel von der Juliusstr. zur Wallgrabenstr. zum einen, und die Sperrung des Kölner Tors zwischen Obergraben und Hindenburgstr. für den Autoverkehr zum anderen. Von der Marienborner Str. käme man dann durch den Siegbergtunnel auf die HTS und direkt auf die Autobahn, ohne über das Schleifmühlchen und Koch’s Ecke fahren zu müssen, ein verlockender Gedanke zunächst vielleicht. Aber fragen Sie sich: wie oft im Jahr fährt man auf die Autobahn und welche Auswirkungen sind für das Wohnen in der Nähe eines solchen „Autobahnzubringers“ zu erwarten?
Die Sperrung des Kölner Tors soll die Barriere zwischen Ober- und Unterstadt beseitigen, sicher ein guter Gedanke und alle, die im Zentrum einkaufen, werden dafür dankbar sein. Aber fragen Sie sich: welche Auswirkungen hat die Verringerung von Lärm und Abgasen im Zentrum auf die Wohnqualität Unterm Hain? Die zwei Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit geben hierauf eine Fülle von Antworten. Wir wollen hier nur ein paar wenige aber wichtige Ergebnisse herausgreifen, die auch das Wohngebiet Unterm Hain berühren.
Welche Schäden sind für die Umwelt zu erwarten ?
1. Umweltverträglichkeitsstudie
Die Veränderung des Bodenwasser-Haushaltes führen zur Abtrocknung des Hangwaldes am Ostportal. Durch den Verkehr und seine Folgen (Lärm, Schadstoffe) werden bisher unbeeinträchtigte Bereiche geschädigt, z.B. der Auenbereich der Weiß am sog. Ostportal. Die geschädigten Bereiche haben eine „hohe Bedeutung für den örtlichen Biotop- und Artenschutz in Siegen“, urteilt das Institut in seiner Untersuchung. Die Lindenbaumgruppe am ev. Gemeindehaus wird ebenso wie Teile der alten Linden-Allee in der Anna-Helenen-Str. dem Siegbergtunnel zum Opfer fallen.
Insgesamt kommt die erste Umweltstudie zu dem Ergebnis:
„Aus Sicht der Schutzgüter der unbebauten Umwelt wird empfohlen, die Voraussetzungen zur Erreichung des Ökologie-Szenarios ohne Siegbergtunnel zu schaffen.“
2. Städtebaulichen Auswirkungen
Die zweite Studie untersucht die städtebaulichen Auswirkungen der Planungen. Entlastungswirkungen werden dabei hauptsächlich im Bereich des Kölner Tors gesehen, die den dortigen Einzelhändlern und Gastronomen sowie den Besuchern Siegens zugute kommen. Voraussetzung für den positiven Gesamteffekt sei aber eine durchgreifende Förderung des Umweltverbundes (also Bus-, Fahrrad- und Fußgängerverkehr). Nicht berücksichtigt werden in der Studie die „immensen Realisierungskosten und deren Wirksamkeit“, stellt das Institut dabei einschränkend fest. Lärmverringerung im Hohler Weg und im Brüderweg stehen Lärmzunahmen in der Marienborner Str. zwischen Anna-Helenen-Str und der Hessischen Str gegenüber. Mit ein paar Bemerkungen am Rande wie „die im Einzelfall vorhandenen negativen Auswirkungen eines Tunnelbaus…“ werden die Folgen für das Wohngebiet Unterm Hain nicht verschwiegen, aber relativiert. Man könnte es überspitzt so formulieren:
Am Kölner Tor wird es noch ruhiger beim Einkaufen!
Bei uns wird es dafür noch lauter beim Wohnen!
24 Stunden am Tag
365 Tage im Jahr!
Verkehrsentlastung – nur bedingt!
Große Erwartungen waren an die Fertigstellung der HTS geknüpft in Bezug auf die Entlastung von z.B. Kochs’ Ecke. Messungen haben dort aber lediglich einen Rückgang von 15% ergeben, während an anderen Kreuzungen, die zur HTS führen, der Verkehr um 120% zunahm. Solche Erwartungen gehören deshalb auf den Prüfstand.
Insgesamt soll der jetzt zu beschließende VEP zu einer Verringerung des Verkehrs in Siegen führen. Der Effekt trifft aber nur dann ein, wenn außer dem Bau des Siegbergtunnels noch andere Maßnahmen greifen. Erst eine umfangreiche Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs, Bau von Radwegen und Maßnahmen für Fußgänger und Verkehrsberuhigung sorgen für den positiven Gesamteffekt der Maßnahmen. Etwa 19 Mill.€ sind alleine hierfür notwendig. Sollte allerdings zuerst (was zu erwarten ist) der Siegbergtunnel gebaut werden und danach das Geld für die übrigen Maßnahmen fehlen (was leider noch viel wahrscheinlicher ist), stimmen alle heutigen Berechnungen nicht mehr. Das sog. Ökologie-Szenario verwandelt sich dann zum Trend-Szenario, das heißt einfach, es wird alles noch schlimmer als es heute schon ist. Deshalb ist die Frage durchaus berechtigt.
Können wir uns den Siegbergtunnel denn leisten?
Die Länder und vor allem die Kommunen in NRW stehen vor einer noch nie dagewesenen finanziellen Krise, deren Ende noch lange nicht abzusehen ist. Einige Städte sind bereits so pleite, daß ihre Haushalte vom Regierungsbezirk zwangsverwaltet werden. In anderen Städten müssen schon Schulen und Schwimmbäder geschlossen werden. Siegens Schulden haben sich alleine im letzten Jahr verdoppelt auf runde 50 Mill. €. Schulen und Sportanlagen leiden seit Jahren unter einem Reparaturstau, bei dem nur noch mit Minimalreparaturen die schlimmsten Schäden beseitigt werden können. Die Schließung von Schwimmbädern ist bereits nicht mehr auszuschließen. Etwa 50 Mill.€ soll jedoch das VEP Programm kosten, davon über die Hälfte allein der Siegbergtunnel. Da das Geld aber nicht da ist, bedeutet das: noch weniger Geld steht für Schulen, Sport, Kultur und Erholung zur Verfügung. Auch Siegens Straßen werden die Folgen des VEP spüren. Schon jetzt reicht das Geld nicht einmal, um Straßenschäden ausreichend zu reparieren. Man kann sich ausmalen wie es auf Siegens Straßen mit Siegbergtunnel aussehen wird, der den städtischen Haushalt endgültig sprengen wird.
Was bedeutet der SBT für Anwohner Unterm Hain ?
Insgesamt muß man feststellen, daß das Tal der Weiß am Ostportal des Siegbergtunnels die Hauptschäden davontragen wird, das wir jetzt noch als eine idyllische Wohngegend kennen und als ökologisch wertvolles und der Erholung dienendes Gebiet für ganz Siegen schätzen. Das Landschaftsbild wird sich in der Umgebung des östlichen Tunnelausgangs unwiederbringlich verändern. Wer einen Vorgeschmack auf das Leben am Siegbergtunnel haben möchte, kann ja mal zum Ziegenbergtunnel fahren und sich vorstellen, er wohne unmittelbar daneben.
Dafür daß man am Kölner Tor beim Einkaufen ungestört über die Sandstraße gehen kann, werden Umweltzerstörung im Tal der Weiß und ein erhöhtes Verkehrsaufkommen auf der Marienborner Str. in Kauf genommen. Am Kölner Tor aber hält man sich beim Einkaufen nur wenige Tage im Jahr und dann nur für kurze Zeit auf, in der Blumenstr. und im Zwischenweg aber wohnt man – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Für die gesamte Stadt Siegen mag es unbedeutend sein, wenn eine Wohnviertel mit nur einigen Hundert Bewohnern zerstört wird, für uns als Anwohner ist es das keineswegs.